Samstag, 24. April 2024
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Protest gegen Verhandlungs- und Bearbeitungsstau

Ein Pflegebett, gefüllt mit Ordnern. In Ahaus hat der Caritasverband vor seinen stationären Altenhilfe-Einrichtungen mit dieser Aktion auf den überbordenden Bürokratismus in der Pflege aufmerksam gemacht. Es gibt einen Bearbeitungsstau beim LWL.
Ein Pflegebett, gefüllt mit Ordnern. In Ahaus hat der Caritasverband vor seinen stationären Altenhilfe-Einrichtungen mit dieser Aktion auf den überbordenden Bürokratismus in der Pflege aufmerksam gemacht. Es gibt einen Bearbeitungsstau beim LWL.

Auf einem Bett vor dem Caritas-Seniorenheim St. Friedrich in Ahaus-Wessum türmen sich die Aktenordner – Platz für einen pflegebedürftigen Menschen bleibt da nicht. Mit dieser bildstarken Protestaktion hat der Caritasverband Ahaus-Vreden auf den Verhandlungs- und Bearbeitungsstau beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) aufmerksam gemacht. Der bistumsweite Protesttag der Caritas am 22. März 2024 stand unter dem Motto „Bearbeitungsstau bremst Pflege aus“.

Bearbeitungsstau beim LWL

Gestiegene Personalkosten, gestiegene Lebensmittelpreise, anhaltende Inflation. All das und mehr schlägt sich auch in den Kosten der Pflege nieder. All das muss über die Pflegesätze refinanziert werden, die mit den Kostenträgern zu verhandeln und anzupassen sind. Doch genau da hakt es. „Wir haben die extremen Preissteigerungen über Monate beim LWL nicht geltend machen können. Wir sind aber auf die Erstattung angewiesen, das Geld fehlt uns einfach“, sagt Matthias Wittland, Vorstand für das Ressort Pflege und Gesundheit beim Caritasverband Ahaus-Vreden. Gleich mehrere Beispiele kann Matthias Wittland benennen, um den Bearbeitungsstau beim LWL zu verdeutlichen. Die ausstehenden Erstattungen für das letzte Quartal 2023 summierten sich allein für die drei Caritas-Seniorenheime St. Ludgerus in Heek sowie Holthues Hoff und Heinrich-Albertz-Haus in Ahaus auf 338.000 Euro.

Kostensteigerungen von bis zu 30 Prozent keine Seltenheit

In der Vergangenheit waren die Verhandlungen mit dem LWL und den Pflegekassen relativ unproblematisch. Das Verfahren startet im Regelfall sechs Wochen vor Ablauf der alten Vergütungsvereinbarungen mit einem sogenannten Aufruf des Trägers der Einrichtung. „Dazu reichen wir eine mehrseitige Excel-Tabelle ein, in der wir unsere Kosten darlegen. Wir begründen die Steigerungen schriftlich und fügen die entsprechenden Nachweise bei“, erläutert Matthias Wittland. Ging es früher meist um Steigerungsraten von 2 bis 3 Prozent – so sind aktuell Kostensteigerungen von bis zu 30 Prozent keine Seltenheit.

Abweichungen im bis zu zweistelligen Prozentbereich

Früher gab es von den Kostenträgern (LWL, Pflegekassen) häufig pauschale Angebote, „bei überschaubaren Kostensteigerungen passte es und man hat das Angebot angenommen“, erklärt Matthias Wittland. Finanzielle Abweichungen von 0,1 Prozent zu Lasten des Verbandes spielten keine allzu große Rolle. „Heute reden wir über deutliche Abweichungen im bis zu zweistelligen Prozentbereich.“

Vier oder fünf Verhandlungsrunden mit dem LWL

Wer auf das pauschale Angebot verzichtet, der muss verhandeln. Auf das vom Caritasverband vorgelegte Angebot folgt ein Gegenangebot des Kostenträgers. Ein persönlicher oder digitaler Austausch schließt sich an. Matthias Wittland: „Wir müssen dann teilweise bis zu vier oder fünf Verhandlungsrunden mit dem LWL durchführen. Hinzu kommt, dass die Gegenangebote häufig nicht begründet werden.“ Ein Extrem-Beispiel sei der Verhandlungsstau für das Seniorenheim St. Ludgerus in Heek. „Wir haben 28 Prozent Mehrkosten begründet. Zurückbekommen haben wir vom LWL ein Angebot, in dem lediglich 2,8 Prozent anerkannt wurden.“ Die Verhandlungen laufen weiter.

Verfahren dauert deutlich zu lange

Ob der Bearbeitungsstau an zu wenig Personal beziehungsweise an Arbeitsüberlastung bei den Mitarbeitenden des LWL liegt, vermag Matthias Wittland nicht zu beurteilen. „Aber wenn der LWL sagt, er habe zu wenig Personal, dann muss man auch hinterfragen, wie ernsthaft die Angebote sind, die von ihm abgegeben werden, und das über mehrere Runden.“ Hinzu kommt: Die Einigung mit dem LWL dauert deutlich länger als die sechs Wochen, die das Verfahren zwischen Aufruf und Umsetzung eigentlich dauern sollte.

Für drei Einrichtungen noch kein Abschluss

Der Aufruf für das Ludgerus-Haus erfolgte zum 14. Juli 2023, die Umsetzung hätte zum 1. September 2023 erfolgen sollen, das Verfahren ist noch offen. Beim Heinrich-Albertz-Haus war der Aufruf zum 18. August 2023, die Umsetzung hätte zum 1. Oktober erfolgen müssen, das Endergebnis stand am 14. Dezember 2023 fest. Beim Holthues Hoff war der Aufruf zum 14. Juli 2023, die Umsetzung hätte zum 1. September stehen müssen, das Endergebnis datiert vom 18. Januar 2024. Für die drei anderen Seniorenheime des Caritasverbandes (City-Wohnpark, St. Friedrich und Henricus-Stift) wird es vermutlich ähnlich laufen. Matthias Wittland: „Zum 1. Februar wäre die Umsetzung gewesen. Wir haben Mitte März und es gibt für keine der drei Einrichtungen einen Abschluss.“

Schlichtungsverfahren würde rückwirkende Zahlungen ausschließen

Dabei steckt der Caritasverband Ahaus-Vreden – wie viele andere Träger – in einer Zwickmühle. Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass ein Schlichtungsverfahren möglich ist, sollten sich die Kostenträger und die Träger der Einrichtungen nicht einig werden. Allerdings gilt für die Kostenerstattungen das Datum des Antrags bei der Schiedsstelle. Matthias Wittland: „Die in den zurückliegenden Monaten aufgelaufenen Mehrkosten werden nicht erstattet. Rufen wir die Schiedsstelle an, verzichten wir rückwirkend auf Zahlungen.“ Sofern die Verhandlungen in dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Zeitrahmen verlaufen, wäre dieses kein Problem. „Angesichts der massiven Verzögerungen ist es jedoch mit deutlichen Verlusten verbunden.“

Eigenanteil der Angehörigen erhöht sich

Matthias Wittland geht davon aus, dass die Eigenanteile (auch für die Angehörigen) weiter steigen. Der momentane Verhandlungsstau führt dann zu Nachzahlungen von mehreren hundert Euro pro Monat und kann sich für Angehörige auf mittlere vierstellige Beträge summieren. Der daraus resultierende Frust der Angehörigen landet nicht beim LWL, „sondern bei uns als Träger der Einrichtung. Für Außenstehende ist das Verfahren nicht ganz einfach zu verstehen.“

Mehrkosten und Zahlungsausfälle führen zu Liquiditätsrisiko

Mehrkosten auf der einen Seite, Zahlungsausfälle auf der anderen Seite. Das birgt ein Liquiditätsrisiko, da die Ausfälle durch die verzögerten Verhandlungen über Monate vorfinanziert werden müssen. „Aber damit allein kommt man nicht weiter. Die Vergütungsvereinbarungen sind nach wie vor nicht immer auskömmlich. Das ist die Situation, vor der viele Träger stehen.“ 

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